Frühe Nutzung
Die medizinische Nutzung von Blutegeln ist kein modernes Phänomen – sie reicht weit zurück bis in das alte Ägypten. Bereits vor über 3.000 Jahren wurden Blutegel ( lateinischer Name Hirudo medicinalis) auf Wandmalereien dargestellt. In antiken Texten aus Indien, China, Persien und Griechenland finden sich zahlreiche Hinweise auf ihren Einsatz. Ausserdem bschrieben bekannte Ärzte wie Galen oder Avicenna Blutegel als Mittel zur Therapie von Krankheiten.
Im europäischen Mittelalter gehörten Blutegel zur Grundausstattung reisender Bader und Heilkundiger. Noch heute erinnert der rot-weiss gestreifte Barber-Pole an die Praxis des Aderlasses, bei dem Blutegel als vergleichsweise schonende Behandlungsmethode für diverse Krankheiten galten. Später im 19. Jahrhundert erlebte die Blutegeltherapie einen regelrechten Boom. So wurden zum Beispiel in Frankreich jährlich bis zu 100 Millionen Tiere verbraucht. Der Bedarf war so gross, dass es zu Übernutzung, regionalem Rückgang der natürlichen Vorkommen und aufwändigen Importen aus Asien kam, was den Einsatz von Blutegeln stark verteuerte und zu einem Rückgang der Anwendung führte. Eine kurzzeitige Renaissance erlebten die Blutegel ab den 1920iger Jahren durch erste Hinweise auf den blutgerinnungshemmenden Wirkstoff Hirudin im Speichel des Blutegels. Ausserdem kamen die Tiere erfolgreich zum Einsatz in der plastischen Chirurgie. Nach dem Zweiten Weltkrieg verschwand das Verfahren jedoch zunehmend aus dem klinischen Alltag, nicht zuletzt durch die Entdeckung von Heparin als synthetisch herstellbare Alternative zur Blutgerinnung.
Mit dem Aufstieg der naturwissenschaftlich fundierten Medizin wurde die Blutegeltherapie lange Zeit als überholt betrachtet, nicht zuletzt weil die Wirkung ursprünglich Konzepten (Vier-Säfte-Lehre) begründet wurde, welche heute wissenschaftlich widerlegt ist. Erst gegen Ende des 20. Jahrhunderts rückte sie im Rahmen der Mikrochirurgie wieder in den Fokus – etwa zur Behandlung venöser Stauungen nach Transplantationen.
Heutiges Wissen
Die Wirkung von Blutegeln wird heute vor allem auf Bestandteile ihres Speichels zurückgeführt. Neben Hirudin sind dies u. a. Bdelline, Eglin C, Calin und Hyaluronidase – Substanzen, die neben gerinnungshemmenden auch antientzündliche, abschwellende und gewebeauflockernde Eigenschaften zeigen. 1,2
Trotz zahlreicher historischer Berichte und der Identifikation vielfältiger Wirkstoffe im Speichel des Blutegels, die seine Wirkung plausibel machen, ist die aktuelle Studienlage mit Ausnahmen von Fallberichten aus der plastischen Chirurgie nach wie vor begrenzt:
- Eine aktuelle Studie hat den Speichel von Hirudo verbana systematisch auf biologische Effekte hin untersucht1. Dabei zeigte sich, dass der Speichel des Blutegels entzündungshemmende Eigenschaften, eine teilweise Neutralisation schädlicher Sauerstoffverbindungen sowie eine gezielte Wirkung auf Krebszellen hatte.
- Darüber hinaus hat eine systematische Übersichtsarbeit aus dem Jahr 2024 die Ergebnisse von 12 hochwertigen klinischen Studien zusammengefasst. Sie zeigt, dass Blutegeltherapie u.a. bei Arthrose, Rückenschmerzen und Durchblutungsstörungen die Beschwerden beim Menschen lindern kann2.
Diese aktuellen Ergebnisse sind grundsätzlich vielversprechend. Es braucht jedoch mehr Forschung (und die entsprechende Finanzierung), um die vielfach berichteten positiven Effekte in der täglichen Anwendung wissenschaftlich zu belegen.
Fazit
Mit der Identifikation wichtiger Wirkstoffe im Speichel des Blutegels und den positiven Ergebnissen aus aktuellen Studien zeigt sich das Potenzial in der Anwendung von Blutegeln, welches weiterer Studien bedarf.
Wenn Sie mehr über die Möglichkeiten der Blutegeltherapie für Ihr Tier erfahren möchten, stehe ich Ihnen gerne für eine Beratung zur Verfügung!
Quellen
- Michalsen A, Roth M. Blutegeltherapie. Vol 3. Karl F. Haug Verlag; 2012.
- Whitaker IS, Rao J, Izadi D, Butler PE. Historical article: Hirudo medicinalis: Ancient origins of, and trends in the use of medicinal leeches throughout history. British Journal of Oral and Maxillofacial Surgery. 2004;42(2):133-137. doi:10.1016/S0266-4356(03)00242-0
- Bilden A, Sabancılar İ, Yalçın Azarkan S, et al. Investigating the Therapeutic Potential of Crude Leech Saliva Based on Its Anticancer, Antioxidant, and Anti-Inflammatory Effects. Curr Issues Mol Biol. 2025;47(5):328. doi:10.3390/cimb47050328
- Hosseini M, Jadidi A, Derakhshan Barjoei MM, Salehi M. Applications of leech therapy in medicine: a systematic review. Front Med (Lausanne). 2024;11. doi:10.3389/fmed.2024.1417041
Bild: Sandra Göttisheim