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Librela Nebenwirkung

Librela – ein Medikament zwischen Hype und Panikmache

Die Diskussionen um das Medikament Librela von Zoetis hat unter Tierhaltenden für viel Aufsehen und Verunsicherung gesorgt. Während die einen von einer bahnbrechenden Therapie sprechen, sehen andere in der Spritze eine gefährliche Entwicklung. In diesem Beitrag wird ein kritischer Blick auf die Hintergründe der polarisierenden Diskussionen geworfen.

Was ist Librela?

Librela® ist ein injizierbares Schmerzmittel für Hunde, dass bei der Behandlung von Gelenkschmerzen bei Arthrose (Osteoarthritis) entwickelt wurde. Es enthält den Wirkstoff Bedinvetmab, einen sogenannten monoklonalen Antikörper – dies ist ein Eiweissmolekül, dass im Fall von Bedinvetmab einen bestimmten Botenstoff in der Schmerzentwicklung blockiert [1]. Die Behandlung erfolgt einmal monatlich als Injektion unter die Haut und gilt als besonders gut verträglich – auch für ältere Hunde, die andere Medikamente oft nicht mehr vertragen. Für Katzen ist das Mittel unter dem Namen Solensia® zugelassen.

Monoklonale Antikörper stammen ursprünglich aus der Humanmedizin, wo sie z. B. zur Behandlung von Krebs oder Autoimmunerkrankungen eingesetzt werden. Der Antikörper in Librela bindet beim Tier an den sogenannten Nervenwachstumsfaktor (NGF). Der NGF ist ein natürlicher Wachstumsfaktor, der im Körper vor allem in der Embryonalentwircklung eine wichtige Rolle bei der Entwicklung und dem Schutz von Nervenzellen spielt. Bei erwachsenen Tieren, insbesondere bei älteren Hunden mit Arthrose, trägt NGF jedoch auch zur Schmerzentstehung bei. Der Wirkstoff  bindet diesen Botenstoff und verhindert, dass Schmerzsignale weitergeleitet werden. Es heilt jedoch die Ursache, also die den Schmerzen zugrunde liegende Arthrose nicht, sondern lindert nur deren Symptome.

Der Wirkstoff wurde von der Firma Zoetis entwickelt und ist seit November 2020 in Europa [2] und nach der Einführung 2022 in Australien [3] seit Mai 2023 auch in den USA zugelassen [4]. Seit der Markteinführung wurden weltweit über 28 Millionen Dosen verabreicht – ein kommerzieller Erfolg und ein Hinweis auf die breite erfolgreiche Anwendung in der Praxis. Wesentliche Vorteile bietet der Wirkstoff insbesondere bei der chronischen Schmerzbehandlung, denn die herkömmliche medikamentöse Behandlung ist mit einem hohen Risiko von Unverträglichkeiten und Nebenwirkungen auf Dauer verbunden, insbesondere in Bezug auf Nieren und Leber. In diesem Zusammenhang  hat das Medikament starke positive Aufmerksamkeit in Fachkreisen seit der Einführung erhalten.

Kritik an Librela

Parallel dazu gibt es jedoch Berichte, in denen behandelte Hunde mit teils schweren Nebenwirkungen beschrieben werden, von neurologischen Symptomen bis hin zu einer raschen Verschlechterung bestehender Gelenkveränderungen. Insgesamt hat die Diskussion zu einer erheblichen Verunsicherung unter den Patientenbesitzern und zu undifferenzierten Negativschlagzeilen geführt [5].

Das Wirkprinzip von Bedinvetmab stammt ursprünglich aus der Humanmedizin, wo Anti-NGF-Antikörper ab den frühen 2000er-Jahren zur Behandlung chronischer Schmerzen – etwa bei Arthrose oder Rückenschmerzen – entwickelt wurden. Auch hier stand die Hoffnung im Vordergrund, wirksame Analgesie ohne die Risiken herkömmlicher Schmerzmittel zu erreichen. In klinischen Studien traten jedoch wiederholt Fälle einer rasch fortschreitenden Osteoarthritis („Rapidly Progressive Osteoarthritis“, RPOA) auf, bei der Gelenke innerhalb weniger Monate irreversibel zerstört wurden, die bei einem normalen Verlauf der Osteoarthritis normalerweise nicht auftreten [6], [7].  Als Folge verhängte die US-amerikanische Behörde für Lebens- und Arzneimittel FDA 2012 einen zweijährigen Studienstopp für alle Anti-NGF-Wirkstoffe. Nach Wiederaufnahme der Forschung unter strengeren Auflagen – niedrigere Dosierungen, Verbot der gleichzeitigen herkömmlicher Schmerzmittel-Gabe, engere Patientenselektion – blieb das Risiko bestehen. Die genaue Ursache ist bis heute nicht abschliessend geklärt.

Neueste Erkenntnisse

Eine neue Untersuchung aus Grossbritannien hat Sicherheitsberichte zu Librela ausgewertet [8]. Die Forschenden sichteten Tausende Meldungen aus der europäischen Nebenwirkungs-Datenbank und analysierten zusätzlich die Krankengeschichten von 19 behandelten Hunden genauer. In diesen Fällen kam es zu auffällig schnellen und schweren Veränderungen an den Gelenken – teils mit Knochenbrüchen, Luxationen oder einem sehr raschen Fortschreiten der Arthrose. Ein Expertengremium hielt einen Zusammenhang mit der Behandlung für wahrscheinlich. Die Autor:innen betonen aber auch, dass die Fallzahl sehr klein ist und nicht beweist, dass alle Hunde unter Librela ein solches Risiko haben. Der Hersteller Zoetis weist die Ergebnisse zurück und verweist auf eigene Daten aus Millionen verabreichter Dosen, in denen solche dramatischen Verläufe nicht bestätigt wurden. Aktuell ist die Herstellungsfirma Zoetis von der Europäischen Arzneimittel-Agentur EMA jedoch angehalten, eine eingehende Analyse durchzuführen und bis September 2025 vorzulegen [9].

Einordnung

Wie von den Authoren erwähnt, ist aus meiner Sicht als Spezialistin für Epidemiologie die genannte aktuelle Studie allein  nicht aussagekräftig genug, um einen klaren kausalen Zusammenhang herzuleiten (!). Dafür braucht es ein wesentlich aufwändigeres Studiendesging und vor allem mehr Studienteilnehmer, die nach einem streng definierten Auswahlverfahren ausgewählt wurden. Es liefert jedoch zusammen mit Berichten von Tierärzten, Hörensagen von mir bekannten Kollegen aus der Praxis und der Entstehungsgeschichte von Librela Hinweise dafür, dass diese Nebenwirkung durchaus auftreten kann.

Vorsicht ist vor allen anekdotischen, nicht fachlich fundierten Berichten geboten (!), denn alte Tiere erkranken nunmal in der Regel an irgendetwas – die gleichzeitige Gabe von Librela bildet deshalb  noch lange keinen ursächlichen Zusammenhang ab.

Bei aller Kritik sollte nicht vergessen werden, dass Librela noch ein recht neuer Wirkstoff ist und die Erfassung von Nebenwirkung häufig in den ersten Jahren nach Anwendung aufgrund neuer Erkenntnisse erweitert wird. Die Tatsache, dass insbesondere die schnell fortschreitende Osteoarthrose in Zusammenhang mit der Anwendung von Librela nicht vor der Zulassung festgestellt wurde, spricht dafür, dass es sich hierbei um ein sehr seltenes Phänomen handelt. Insofern ist eine sorgfältige Aufklärung und Abwägung angebracht- aber Panik und pauschale Ablehnung, wie sie teilweise verbreitet wird, keinesfalls. Denn trotz dieser und möglicher und anderer Nebenwirkungen, hat Librela unzähligen Patienten erfolgreich geholfen und Linderung in den letzten Lebensjahren verschafft. Dies wird bei aller berechtigten und unberechtigten Kritik oft aus den Augen verloren:  negativen Effekten wird mehr Beachtung geschenkt als den positiven, wodurch ein verzerrtes Bild entsteht. Klar sollte bei dieser Debatte unbedingt sein, dass unbehandelte Arthrose-schmerzen die Lebensqualität von Tieren erheblich beeinträchtigen (!) und die medikamentösen Behandlungsmöglichkeiten begrenzt sind.

Fazit

Letztendlich steht man bei der Entscheidung für oder gegen Librela einem vielfach belegten, hohen Nutzen mit einem gleichzeitig im Vergleich sehr geringem Risiko gegenüber – 100%ige Sicherheit gibt es, wie mit anderen herkömmlichen Mitteln und generell fast allen Lebensbereichen, nie.

Falls Sie sich nach Alternativen und Ergänzungen zur medikamentösen Behandlung chronischer Schmerzen für Ihr Tier erkundigen möchten, berate ich Sie gerne!

Quellen

  1. Vetpharm – Abteilung für Veterinärpharmakologie und -toxikologie, Universität Zürich: Fachinformation Librela.  https://www.vetpharm.uzh.ch/tak/06000000/00067707.03 (Zugriff: 17.08.2025).
  2. Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA): Librela – Produktinformation für Tierarzneimittel. https://medicines.health.europa.eu/veterinary/de/600000001761 (Zugriff: 17.08.2025).
  3. Australian Pesticides and Veterinary Medicines Authority (APVMA): Veterinary Medicines Regulatory Newsletter – October 2022.  https://www.apvma.gov.au/news-and-publications/newsletters/veterinary-medicines-regulatory-newsletter-october-2022 (Zugriff: 17.08.2025).
  4.  Food and Drug Administration (FDA), Center for Veterinary Medicine: FDA approves first monoclonal antibody for dogs with osteoarthritis pain. https://www.fda.gov/animal-veterinary/cvm-updates/fda-approves-first-monoclonal-antibody-dogs-osteoarthritis-pain (Zugriff: 17.08.2025).
  5. Rückert, R.: Librela-Paranoia, schlechter Journalismus, mal wieder Social-Media-Hysterie. Blogbeitrag vom 21.09.2023.  https://www.ralph-rueckert.de/blog/librela-paranoia-schlechter-journalismus-mal-wieder-social-media-hysterie/ (Zugriff: 17.08.2025).
  6.  Hochberg, M. C.: Serious joint-related adverse events in randomized controlled trials of anti-nerve growth factor monoclonal antibodies. In: Osteoarthritis and Cartilage 23 (Suppl. 1), S. S18–S21 (2015). doi:10.1016/j.joca.2014.10.005
  7. Hochberg, M. C.; Carrino, J. A.; Schnitzer, T. J.; Guermazi, A.; Walsh, D. A.; White, A. et al.: Long-term safety and efficacy of subcutaneous tanezumab versus nonsteroidal anti-inflammatory drugs for hip or knee osteoarthritis: a randomized trial. In: Arthritis & Rheumatology 73 (2021), S. 1167–1177. doi:10.1002/art.41674
  8. Farrell, M.; […]: Musculoskeletal adverse events in dogs receiving bedinvetmab (Librela). In: Frontiers in Veterinary Science, Bd. 12 (2025), Artikel 1581490. Veröffentlicht am 09.05.2025. doi:10.3389/fvets.2025.1581490
  9. Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA): Meeting highlights from the Committee for Veterinary Medicinal Products (CVMP), 15–17 July 2025. https://www.ema.europa.eu/en/news/meeting-highlights-committee-veterinary-medicinal-products-cvmp-15-17-july-2025 (Zugriff: 17.08.2025).

Bild: VetDynamics